Die meisten von uns nahmen sich oft vor, nicht mehr zu trinken. Wir machten
unseren Angehörigen, Freunden und allen anderen ernst gemeinte
Versprechungen. Wir legten feierliche Gelübde ab. Nichts half, bis wir endlich den
richtigen Weg fanden. Von da an nahmen wir uns Zeit, versprachen nichts,
weder uns selbst noch anderen. Wir konzentrierten uns nur darauf,
heute das erste Glas stehen zu lassen, für
24 Stunden nichts zu trinken.

Wir blieben an diesem Tag nüchtern.


 

Der Serenity-Prayer (Gelassenheitsspruch)
als Hintergrundbild (1024 x 768 Pixel)

 

Die Hauptgründe, warum
Leute Motorrad fahren,
sind doch oft dieselben: es geht darum,
einen klaren Kopf zu bekommen,
den Wind zu spüren
und zu erleben, was Freiheit ist !





aus dem Buch
Ridin' High, Livin' Free
von Ralf "Sonny" Barger

 

Die Geschichte des Bill W.

Aus den Trümmern eines verpfuschten Lebens überwand er seinen Alkoholismus und begründete das 12 - Schritte - Programm, das Millionen anderer Alkoholiker half, dasselbe zu tun wie er.

Leutnant Bill Wilson überlegte nicht zweimal, als der erste Butler, den er je in seinem Leben gesehen hatte, ihm einen Drink anbot. Der zweiundzwanzigjährige Soldat dachte weder an die amerikanische Abstinenzbewegung während seiner Jugend noch daran, wie der Alkohol seine Familie zerstört hatte, noch an seine Braut Lois Burnham, die ihn liebte, noch an sein sich gerade erweisendes Talent, Menschen zu führen. Er dachte überhaupt an gar nichts. "Ich hatte das Elixier meines Lebens gefunden", schrieb er später. Wilsons letztes Glas siebzehn Jahre später, nachdem der Alkohol bereits seine Gesundheit und seine Karriere zerstört hatte, begründete den Beginn einer Entwicklung, die sein und das Leben von Millionen anderer Alkoholiker ändern sollte. 1943, zum vierten Male in stationärer Behandlung auf der geschlossenen Abteilung des Städtischen Krankenhauses von Manhattan erfuhr Wilson ein spirituelles Erwachen - ein grellweißes Leuchten, eine befreiende Wahrnehmung, die zur Begründung der Anonymen Alkoholiker und Wilsons revolutionärem Zwölf - Schritte - Programm führte, das erfolgreiche Heilungskonzept für Alkoholiker. Die Zwölf Schritte haben auch erfolgreiche Konzepte gegen Eßstörungen, Spiel-, Drogen- und Tablettensucht, Schuldenmacherei, Sex- und andere Süchte, denen Menschen anheim fallen können, in Gang gesetzt. Aldous Huxley nannte ihn "den größten Sozialarchitekten dieses Jahrhunderts".

William Griffith Smith wuchs in einer Kleinstadt im Staat Vermont auf. Als er zehn Jahre alt war, verschwand sein Vater nach Kanada, und seine Mutter zog nach Boston. Das kränkliche Kind überließ sie ihren Eltern. Als Soldat und später als Geschäftsmann trank Wilson, um seine Depressionen zu lindern und seine Erfolge an der Wallstreet zu feiern. Nach der Heirat 1918 bereisten seine Frau und er das Land auf einem Motorrad und erweckten den Eindruck eines glücklichen und vielversprechenden jungen Paares. 1933 lebten sie jedoch von der Wohlfahrt und wohnten im Hause ihrer Eltern in der Clinton Street, Brooklyn, New York. Wilson hatte sich zu einem unvermittelbaren Arbeitslosen heruntergesoffen, der Religion verachtete und sogar um Geld bettelte.

Ermuntert durch einen Freund, der mit dem Trinken aufgehört hatte, besuchte Wilson Zusammenkünfte der Oxford Gruppe, einer von dem Pennsylvanier Frank Buchmann in England gegründeten evangelistischen Gemeinschaft. Und während Wilson sich einer Barbiturat- und Belladonna- Behandlung - genannt "reinigen und auskotzen", eine damals übliche Methode bei der Bekämpfung von Alkoholismus - unterzog, gingen ihm Schlagworte aus den Treffen der Oxford Gruppe, von C. G. Jung und aus "Varieties of Religious Experience" (Die Vielfalt religiöser Erfahrungen) von William James, das er im Krankenhaus las, durch den Kopf. Nach fünf Monaten Trockenheit unternahm Wilson eine Geschäftsreise nach Akron, Ohio. Das Geschäft schlug fehl, und es gelüstete ihn nach einem Drink. Er stand in der Halle des Mayflower Hotels, umgeben von den Geräuschen aus der Bar am Ende der Halle. Plötzlich überkam ihn die Überzeugung, dass er, wenn er einem anderen Alkoholiker hilft, sich selbst helfen könne.

Nach einer Reihe verzweifelter Telefonanrufe stieß er schließlich auf den Arzt Dr. Robert Smith, einen misstrauischen Trinker, den seine Familie überredete, Wilson fünfzehn Minuten zu geben. Ihr Meeting dauerte Stunden.

Einen Monat später trank Dr. Bob sein letztes Glas, und dieses Datum, der 10. Juni 1935, ist der offizielle Geburtstag von AA, das auf der Idee basiert, dass nur ein Alkoholiker einem anderen Alkoholiker helfen kann. "Da Leid unsere gemeinsame Erfahrung ist", schrieb Bill, "wird unser Miteinander immer bestimmt von der Sprache des Herzens".

Das Burnham Haus in der Clinton-Street wurde zu einem Hafen für Trinker. "Mein Name ist Bill und ich bin Alkoholiker", erzählte er den Hausgästen und Besuchern bei den Meetings. Um die Idee weiter zu verbreiten, begann er, seine Ideen zum erlangen von Nüchternheit aufzuschreiben. Jedes Kapitel wurde in der Clinton Street Gruppe vorgelesen und zur weiteren Bearbeitung zu Smith nach Akron geschickt. Das Buch hatte ein Dutzend Arbeitstitel, darunter: "Der Weg heraus" und "Das leere Glas". In seiner endgültigen, auf 400 Seiten angewachsenen Fassung erhielt es schließlich den Titel: Anonyme Alkoholiker, und dieser Titel gab auch der Gruppe den Namen.

Trotz durchweg guter Kritiken in der Presse verkaufte sich das Buch nur schlecht. Wilson versuchte sich vergeblich als "Fliegender Händler". AA hatte etwa 100 Mitglieder, aber viele tranken noch. In dieser Zeit, 1939, wurde das Haus in der Clinton Street von der Bank wegen rückständiger Hypothekentilgungen gepfändet, für das Ehepaar begann ein Jahr der Obdachlosigkeit, sie lebten als Gäste in geborgten Räumen und einige Zeit sogar behelfsmäßig im Dachgeschoß des AA Clubhauses in Manhattans 24. Straße.

1940 gab John D. Rockefeller jr. Ein Dinner zugunsten von AA und war so beeindruckt, dass er eine Stiftung ins Leben rief, die Wilson mit 30 Dollar wöchentlich unterstützte - mehr aber nicht. Der Großindustrielle ahnte, dass Geld den Geist der Gruppe zerstören würde.

Dann, im März 1941, erschien in der Saturday Evening Post ein Artikel über AA, und plötzlich trafen Tausende von Briefen und Anfragen ein. Die Zahl der Besucher in den Meetings verdoppelte und verdreifachte sich. Wilson hatte sein Publikum erreicht. In den Zwölf Traditionen legte Wilson Vorschläge zu Aufbau und Aufgabe der AA-Gruppen nieder. Mit diesen begründete er ein tragfähiges Gerüst für eine Organisation mit einem Maximum an individueller Freiheit und ohne Anhäufung von Macht oder Geld. Anonymität gegenüber der Öffentlichkeit sorgte dafür, dass sich kein Mitglied in irgendeiner Weise herausheben konnte. Mitgliedsbeiträge wurden nicht verlangt; Spenden von Mitgliedern wurden nur bis zu höchstens 1000 Dollar akzeptiert.

Heute besuchen mehr als zwei Millionen AA-Mitglieder in 150 Ländern Meetings, in Untergeschossen von Kirchen, Gemeinschaftsräumen von Krankenhäusern und Schulen, unter Wahrung von Wilsons nur empfehlenden Regeln. Die Mitglieder geben sich als Alkoholiker zu erkennen und teilen miteinander ihre Lebenswege; es gibt keine Satzungen oder Zugehörigkeitserfordernisse, und viele Mitglieder geben sich nur mit ihrem Vornamen zu erkennen.

Wilson glaubte, dass der Schlüssel zur Nüchternheit auf einer Änderung der inneren Einstellung beruht. Die Zwölf Schritte, die eine Empfehlung darstellen, beinhalten auch das Zugeständnis der Machtlosigkeit, eine Inventur im Inneren, eine Wiedergutmachung für zugefügten Schaden und eine Kapitulation gegenüber einer höheren Macht. In AA kann dies etwas Selbstgewähltes sein. Unter dem Einfluß von AA hat die American Medical Association (vergleichbar unserer Bundesärztekammer) Alkoholismus als eine chronische Erkrankung, und nicht als einen Mangel an Willenskraft, neu definiert.

Als AA größer wurde, ging Wilson mit gutem Beispiel voran. Er half, ein auf dem Programm fußendes Verwaltungsgremium zu schaffen, die Allgemeine Dienstkonferenz (General Service Board), und übergab seine Funktion an dieses Gremium. "Ich wurde mehr zum Schüler als zum Lehrer der AA-Bewegung", schrieb er. Ein starker Raucher noch als Siebzigjähriger, starb er an Lungenentzündung und einem Emphysem in Miami, wohin er 1971 zur Behandlung gefahren war. Bis zu seinem Tode stand er fest zu den Prinzipien und der Kraft der Anonymität. Er blieb immer Bill W., der es bis zum Schluß ablehnte, für Beratung oder Führungsarbeit Geld anzunehmen. Er schlug viele Ehrungen aus, darunter auch den Ehrendoktor der Yale Universität. Und er lehnte das Angebot der Zeitschrift TIME ab, ihn auf dem Titelblatt abzubilden - nicht einmal den Rücken.